Trägheitskräfte-Zentrifugalkraft-Fliehkraft Im vorherigen Kapitel haben wir uns mit der
Radialkraft oder Zentripetal- kraft beschäftigt.
Diese Kraft ist notwendig, da sich ein Körper aufgrund seiner
Trägheit immer geradlinig gleichförmig bewegen will. Von außen betrachtet
muss es diese Kraft geben, da sich der Körper sonst wegen des
Trägheitssatzes nicht auf einer Kreisbahn bewegen würde. Bei einer gleichförmigen
Kreisbewegung zeigt die Radialkraft senkrecht zur Bewe- gungsrichtung, also
senkrecht zur Geschwindigkeitsrichtung, somit immer radial
zum Mittelpunkt des Kreises. Diese Kraft
wird bei vielen Kirmesfahrgeschäften durch die Seitenwände (Round up, Rotor usw.) oder durch eine Kette (Kettenkarussell),
Stange bzw. Faden aufgebracht. Befindet man sich selber im Fahrgeschäft,
also im rotierenden System, hat man häufig einen ganz anderen Eindruck.
Man hat das Gefühl nach außen gedrückt zu werden. Diese „Kraft“ wird
Fliehkraft oder Zentri- fugalkraft genannt. Im System scheinen eher folgende Verhältnisse
vorzuliegen: Es gibt zunächst am Anfang der Rotation eine
radial nach außen ge- richtete Fliehkraft. Von dieser Kraft wird
man gegen die Außenwände gepresst, so dass diese Wände dann die
Radialkraft aufbringen. Es herrscht ein Kräftegleichgewicht zwischen
Fliehkraft und Radialkraft. Die Abbildung zeigt die Verhältnisse noch
einmal.
Wenn „echte Kräfte“ vorliegen, müssen
allerdings die Newtonschen Axiome zutreffen, insbesondere das 3.
Newtonsche Axiom ( actio =
reactio ). Dies bedeutet, wenn
eine Kraft von einem Körper A auf einen Körper B ausübt wird, gibt es auch eine
gleich große Kraft von B auf A. Schauen wir uns hierzu noch einmal die beiden
Kräfte an. Zunächst zur Radialkraft: Vom Mittelpunkt M aus wird (z.B. über einen
Faden) eine Kraft FA auf die Masse m ausgeübt. Dann muss jetzt auch m eine
Kraft FB auf den Mittel- punkt M ausüben. Diese Kraft gibt es
tatsächlich. Sie zieht nämlich immer am Drehlager. Man spricht von der „Unwucht“.
Diese Unwucht kann auf Dauer zu Schäden am Lager führen. Hierzu noch ein einfaches Beispiel aus dem
Alltag: Man bewegt mit der Hand ein Massestück an
einem Faden auf einer horizontalen Kreisbahn über dem Kopf. Die
Hand übt über den Faden eine Radialkraft auf die Masse aus.
Gleichzeitig bemerkt man, dass die Hand immer in Richtung der Masse gezogen
wird. Man kann die Hand nicht ruhig halten. Dies ist die „Unwucht“,
die für keine ruhige Rotation sorgt. Hinweis: Wer
noch mehr über „Unwuchten“ erfahren will, kann sich dieses Video ansehen. Quelle:
https://www.youtube.com/watch?v=LdexQo-xmOg Hinweis: sehr wissenschaftliches Video, die Abbildungen zeigen schön die fehlende Symmetrie
Jetzt zur
Fliehkraft: Falls es
sich um eine „echte“ Kraft handelt, müsste hier auch das 3.New- tonsche Axiom
gelten. Dies passt aber offensichtlich nicht, denn man müsste
außerhalb des Kreises einen Körper geben, der diese Kraft aus- übt. Diesen
Körper gibt es aber nicht! Man findet somit auch keine korres- pondierende Kraft (reactio) zur Fliehkraft. Das 3.Newtonsche Axiom ist verletzt.
Wenn also
Fliehkräfte keine „echten“ Kräfte sind, warum haben wir dann „das
Gefühl“, das diese Kraft existiert, wenn wir uns im rotierenden Sys- tem befinden.
Ein Betrachter von außen kann die Frage sofort beant- worten:
„Diese Kraft ist allein auf die Trägheit zurückzuführen“. Deshalb
spricht man auch von Trägheitskräften oder Scheinkräften. Wir
betrachte das Ganze mal am Beispiel des Fahrgeschäftes „Musikexpress“: Man setzt
sich in das Fahrgeschäft hinein. Der Musikexpress startet. Wir wollen uns nach
Trägheitssatz geradlinig weiterbewegen. Die Wände bewegen sich
aber auf einer Kreisbahn. Also bewegen wir uns auf die Wände zu.
Wir haben das „Gefühl“ uns auf die Wände zuzubewegen. Eine „Kraft“
scheint uns zur Wand zu „drücken“. Diese Kraft ist aber letzt- endlich nur
auf unsere Trägheit zurückzuführen. Die
Verhältnisse noch einmal in einer Abbildung:
Da die
Fliehkraft aus physikalischer Sicht „verzichtbar“ ist, um die Kreis- bewegung zu
erklären, könnte man sie auch gar nicht erwähnen. Es gibt z.B. einige
Physikbücher, die so vorgehen. Da wir aber
ein „Gespür“ für diese „Kraft“ haben, lassen sich viele Übungs- aufgaben
häufig einfacher berechnen, wenn man diese „Kraft“ zulässt.
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